Wanderlust – oder wie alles seinen Anfang nahm
Das deutsche Wort Wanderlust steht im Allgemeinen wohl für das Bedürfnis, den inneren Antrieb, sich mit den eigenen Füßen zu bewegen, in der Natur zu sein und seinen Horizont durch das Erleben von Neuem zu erweitern, indem man sich fernab seiner gewohnten Umgebung bewegt. Für den einen ist es die Tageswanderung vor der Haustür, für Andere ist das die wochen- oder gar monatelange Wanderung durch die Welt.
Auch mich hat dieses Bedürfnis irgendwann gepackt, dieser Drang, raus zu gehen, Neues zu sehen und zu erleben. Rückblickend war das ein langer Weg, mit vielen Anläufen, ohne diese Lust wirklich bewusst wahrzunehmen oder nachzugehen. Beim Urlaub in den Alpen wanderte man mal einen Berg hoch, ließ sich auf der Almhütte bewirten und fand es am Ende auch toll, bezeichnete das dann als gelungenen Urlaubstag. Der Tagesausflug im Mittelgebirge gestaltete sich ähnlich, man lief einige Kilometer, genoss die Aussicht, kehrte irgendwo ein. Aber es war nicht DIESE Wanderlust, man mochte es und es beschränkte sich eigentlich nur auf den Urlaub. Bewusst würde ich das alles nicht nennen.
EIN BANALER SCHUHKAUF ÄNDERT ALLES
Es war Herbst, ich brauchte ein paar neue Schuhe. Ich kannte den Besitzer des Schuhladens flüchtig aus dem örtlichen Fitnessstudio. Im Gespräch kam das Thema aus irgendeinem Grund auf das Laufen und Wandern zu sprechen. Er sprach nun von einer Wanderung, an der er und einige Mitglieder des Fußballvereins teilnehmen würden. Man würde von Chemnitz aus zum Fichtelberg wandern, der Fichtelbergmarsch. Fichtelberg? Gefühlt ist man doch da eine Woche unterwegs, so meine Gedanken. Aber nein, man wolle das an einem Tag machen, mehr als 64 km, 1800 Höhenmeter in Richtung tschechische Grenze, hinauf zum höchsten Berg Ostdeutschlands. Er war da Feuer und Flamme, man sah es in seinen Augen. Ich konnte seine Begeisterung nicht teilen, für mich klang das nur extrem, nach etwas, was für „Freaks“ gemacht wurde. Und so ging ich der Sache auch nicht weiter nach, zu abwegig erschien mir diese Vorstellung.
So verging wohl ca. 1 Jahr. Es war wieder Herbst. Ich weiß nicht mehr wie es dazu kam, ob ich im Internet etwas gelesen habe oder ob es einfach eine spontane Eingebung war. Ich suchte also etwas zum Thema Fichtelbergmarsch, kam auf die Webseite und schaute mir in der Galerie ein paar Fotos an. Und ja, irgendwie viel ich hier vom Glauben ab, was ich da zu sehen bekam. Naiv und unwissend wie ich war, hatte ich von den Teilnehmern ein völlig anderes Bild. Die Fotos zeigten gefühlt zu 90 % ältere Menschen und Rentner. Aber hier geht es um 64 km, um etwas „extremes“, wie kann das sein? Wo sind die gestählten Sportler, die jungen Wilden, die „Freaks“ für solch ein Event? Nicht das ich älteren Menschen sowas nicht zugetraut hätte, ich war nur überrascht über die Vielzahl derer.
DIE GROSSE HERAUSFORDERUNG
Tja, zugegeben, meine ersten Gedanken bestanden darin: Wenn die das schaffen, dann kann ich das doch auch (Dies soll auf keinem Fall abfällig gemeint sein, heute bin ich weitaus schlauer und weiß, das beim Wandern das Alter nicht immer ausschlaggebend ist). Und so ließ mich dieser Gedanke die nächsten Wochen nicht mehr los. Da gab es diese Herausforderung auf einen mir vorher nicht vorstellbarem sportlichem Niveau, was mich motivierte und beflügelte. Die Saat war gelegt, die Gedanken reiften. Teufelchen und Engelchen bekämpften sich, von „das schaffst du eh nicht“ bis „los, trau dich was“ flüsterten sie mir zu. Letztendlich siegte die Herausforderung und ich meldete mich als einer der ersten für den folgenden Marsch an, 2014 sollte mein Jahr werden. Jetzt hatte ich ein Ziel, ein konkretes Datum, etwas, auf das ich mich nun vorbereiten musste.
Einen konkreten Plan für eine Vorbereitung hatte ich natürlich nicht. Einfach wandern dachte ich, würde ausreichen. Und das so früh wie möglich. Somit versuchte ich, so gut und so oft wie möglich Kilometer auf die Wanderuhr zu bekommen, den Körper an die Anforderungen zu gewöhnen. Das bedeutete, aufgrund der Jahreszeit, viel laufen im Dunkeln, in der Kälte und früh am Morgen. Eigentlich alles Dinge, die sonst nicht so zu meinen Favoriten zählten.
VIEL SCHWEISS FÜR DEN ERFOLG
Beginnend bei etwa 10 km, versuchte ich das Pensum langsam zu steigern. Und hier muss es dann wohl irgendwie passiert sein, dass mich die besagte Wanderlust packte. Ich genoss es, trotz dass ich den Winter nicht mag, mit seiner Kälte und Dunkelheit. Den Wald und die Natur nahm ich nun anders wahr, ich freute mich jedes Mal aufs Neue, endlich wieder raus zu können. Ich wanderte bewusst, des Wanderns wegen, mit Freude und Lust auf jeden Schritt, den ich tat. Die Natur, verschneite Landschaft beim Sonnenaufgang und die Ruhe um mich herum, alles das, wonach ich gesucht hatte.
Es lief recht gut, über die Monate konnte ich sagen, dass 30 Kilometer für mich OK waren, aber das war ja nur die halbe Miete. Nichtsdestotrotz war ich motiviert. Und dann kam endlich der entscheidende Tag der Wanderung. Früh morgens gegen 5.00 Uhr ging es los in Chemnitz. Zu diesem Zeitpunkt gab es weitere fast 600! Verrückte, die ebenfalls diese Herausforderung annahmen.
Um es an der Stelle kurzzumachen: erschöpft und fertig hatte ich es nach knapp 14 Stunden geschafft. Nicht ganz ohne Blessuren oder unerwarteter Zwischenereignisse, mit vielen neuen und unbekannten Eindrücken stand ich oben auf den Fichtelberg. Fertig, kaputt und doch wahnsinnig happy. Awesome!
UNVERGESSLICH UND PRÄGEND
Es war zum einen ein unvergessliches Erlebnis und zum anderen war es ziemlich prägend. Seit dem ist das Wandern ein Teil meines Lebens geworden, den ich nicht mehr missen möchte, ja, wenn es geht, gern intensivieren würde. In der Zeit habe ich viel dazu gelernt, mich weiterentwickelt und durchaus auch eine andere Sichtweise auf Dinge des Lebens gewonnen. Das ist alles ziemlich spannend und ich hoffe, das noch viele schöne Erlebnisse dazukommen mögen.
Habt ihr etwas ähnlich Prägendes erlebt? Wie seid ihr zum Wandern gekommen? Gern könnt ihr dazu was in den Kommentaren hinterlassen.
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